FÜRTHER LANDKREIS NACHRICHTEN - 23.7.2004 - [B0407231]

Mit dem "Bibertpfeil" ins Herz der Noris

Interessengemeinschaft Bibertbahn untermauert mit einer Studie den Appell, die Bahnlinie wieder zu aktivieren

FÜRTH Land - In 17 Minuten von Zirndorf-Leichendorf bis zum Hauptbahnhof in Nürnberg? Das könnte relativ bald erfahrbar sein - im Wortsinn. Davon sind die Mitglieder der Interessengemeinschaft Bibertbahn (IGBB) überzeugt. Vorausgesetzt, die Trasse, auf der bis 1986 die Bibert-Bärbel pendelte, wird wieder aktiviert. Dass sich das in vielerlei Hinsicht lohnen würde, untermauern sie in einer Studie.

"Mit der Bibertbahn in die Zukunft" ist Titel und Programm: Nötige Investition, Betriebskosten und Wirtschaftlichkeit einer Regionalbahnlinie auf der alten Trasse in den Westen des Landkreises stellt das IGBB-Konzept dar. Eine Fülle von Informationen haben die Bahnfreunde 90 Jahre nach der Jungfernfahrt der Bibert-Bärbel zusammengetragen. Ihr Konzept nimmt viel Arbeit vorweg, die an sich Sache der Verkehrsplaner in den kommunalen Verwaltungen wäre, könnten sich deren Auftraggeber, die Politiker, für diese Alternative als Anbindung des südwestlichen Landkreises an den Großraum erwärmen.

Als die IGBB jetzt Politiker aus der Region einlud, um ihr Konzept vorzustellen und bei den Mandatsträgern als Verantwortlichen regionaler Verkehrsplanung um Unterstützung zu werben, stießen sie auf eher verhaltenes Interesse. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly hatte einen Verkehrsplaner aus der Verwaltung geschickt, das Landratsamt Fürth war gar nicht vertreten. Etwa ein Dutzend Mandatsträger hauptsächlich aus Oberasbach und Zirndorf waren gekommen. Unter ihnen zwei, die die Weichen mit stellen könnten: Bürgermeister Gert Kohl aus Zirndorf und sein Kollege Bruno Allar aus Oberasbach. Dass die U-Bahn Linie 3 in absehbarer Zeit über die Stadtgrenze Nürnbergs hinauskommt, hält die IGBB angesichts leerer Kassen der öffentlichen Hand für unrealistisch. Zu einem Bruchteil der Kosten einer U-Bahn-Verlängerung und innerhalb von zwei, drei Jahren dagegen könnten Diesel-Triebwagen auf der Bibertbahn-Trasse die Rothenburger Straße als Haupteinfallsroute in den Großraum erheblich entlasten und eine attraktive Alternative zum Auto und damit zum Stau von Tag für Tag 35 000 Fahrzeugen bieten.

Verbaut sei damit nichts, schließlich könnte diese Bahnlinie langfristig auch Bestandteil eines elektrifizierten Stadtbahnsystems oder einer teils oberirdisch fahrenden U-Bahn werden. "Das eine", sagt Dieter Beck als stellvertretender Vorsitzender der IGBB, "schließt das andere dank moderner Technik und Kombilösungen nicht aus."

Genauer Plan

Wie die Züge, die dann von Zirndorf/Leichendorf über Oberasbach/Altenberg und die Haltepunkte Gebersdorf (Fürth-Süd) und Nürnberg-Stein bis zum Hauptbahnhof Nürnberg direkt ins Herz der Noris rollen sollen, heißen und aussehen könnten, davon haben die Zirndorfer Eisenbahnfreunde schon mehr als ein genaues Bild. An Modellbahnen des Siemens-Triebwagens Desiro im Maßstab H0 zeigten sie, wie sie sich die "Bibertpfeile" vorstellen: Blau-Weiß und Wagen für Wagen mit Wappen oder Fahne eines anderen Ortes an der Bahntrasse verziert.

Nebensächlichkeiten, die Bürgermeister Kohl überhaupt nicht interessieren, ließ der im Anschluss an eine gut eineinhalbstündige Power-Point-Präsentation wissen. Aus seiner Skepsis gegenüber den Plänen der IGBB machte er keinen Hehl. Keinen kenne er, der etwas gegen eine Reaktivierung der Trasse hätte, wäre sie so einfach umzusetzen. Doch der Teufel stecke im Detail. Gerne, so Kohl, hätte er erfahren, welche Lösungswege das Papier denn zu den Knackpunkten der Trassenreaktivierung biete. Womit er Dieter Beck eine Steilvorlage lieferte, ihn zu maßregeln wie einen Schulbub: "Jetzt bin ich aber sehr enttäuscht von Ihnen", so Beck. Extra gefragt habe er ihn, ob er das grüne Heft bekommen habe, bestätigt habe Kohl das, und "in dem", so Beck, "steht alles drin".

Das grüne Heft: 66 Seiten stark und als Informations- und Arbeitspapier gedacht. Mit der Studie will die IGBB eine sachliche Diskussionsgrundlage liefern und natürlich überzeugen. Beispielsweise mit dem Argument, dass es bei dem angedachten S-Bahn ähnlichen Betrieb möglich wäre, die Kreuzungspunkte von Straßen und Schiene zu beschranken.

Oder damit, dass moderne, leichte und leise Dieseltriebwagen, wie sie in ganz Deutschland schon im Einsatz sind, gar keine Lärmschutzmaßnahmen zur angrenzenden Wohnbebauung erforderten. Oder mit der Information, dass selbst auf dem Streckenabschnitt zwischen Bahnhof Nürnberg-Stein und Hauptbahnhof Nürnberg keine Engpässe zu befürchten wären, würde sich eine wieder rollende Bibert-Bärbel im halbstündigen Takt ins Schienennetz der Deutschen Bahn einfädeln.

Auch den Einwand Allars, an der Bundesbahn habe sich der Landkreis in den 90er Jahren, als es schon einmal um eine Stadtbahn ging, die Zähne ausgebissen, kann Jörg Schäfer entkräften: Die DB müsse ihr Schienennetz jedem zugänglich machen. "Das war Bedingung der Privatisierung." Fürr Schäfer, ÖPNV-Fachmann vom Fahrgastverband Pro Bahn, eine von vielen Fehlinformationen, "die wir eben abarbeiten müssen".

Nur ein wichtiges Detail, das Norbert Ruffertshöfer ansprach, blieb in der Diskussion offen: Nach Einschätzung des Bauamtsleiters aus dem Zirndorfer Rathaus ist für die Reaktivierung der Trasse ein Planfeststellungsverfahren nötig. "Und das kommt teuer und dauert." Weil die Trasse nie entwidmet, also für andere Zwecke ausgewiesen wurde, gehen die IGBBler allerdings davon aus, dass dieses Verfahren überflüssig ist.

Apropos Kosten: Die Erweiterung der U 3 um nur eine Station würde 50 Millionen Euro kosten. 7,5 Millionen Euro müssten investiert werden, um die Strecke der Bibertbahn wieder in Stand zu setzen, prognostiziert die Lobby einer modernen Bibert-Bärbel. Ein unabhängiger Gutachter, dem die IGBB ihre Studie vorgelegt hat, hat dieser Kalkulation gar bescheinigt, diese Investition ließe sich um ein gutes Drittel drücken, denn die IGBB habe sich an eher hoch angesetzten Werten der Deutschen Bahn AG orientiert.

Positives Gutachten

Ähnlich positiv bewertet der Gutachter die Prognose von 4500 Fahrgästen täglich. Weit mehr als auf vielen anderen bayerischen Zweigstrecken seien das, so Schäfer. Die Zuschüsse des Freistaates für jeden gefahrenen Zugkilometer zu Grunde gelegt und sinnvoll in das gesamte Busliniennetz eingebunden, könne die Linie sogar kostendeckend bewirtschaftet werden.

Für ÖPNV-Verhältnisse sei die Bibertbahnlinie gewissermaßen eine "Goldgrube". Allerdings müsste einer eventuell interessierten Betreibergesellschaft wenigstens die Strecke in einem rundum erneuerten Zustand mit neuen Bahnsteigen zur Verfügung gestellt werden.

Wer das zu zahlen hätte, sei Verhandlungssache, so Schäfer. Den späteren Verkehr - egal, ob dieser Auftrag nun an einen privaten Betreiber oder die DB geht - muss allerdings der Freistaat finanzieren. "Ihnen als Kommunalpolitikern", wandte sich Schäfer an seine Zuhörer, "kann doch gar nichts besseres passieren, als so eine Bahnlinie vor der Haustür zu haben."

Informationen im Internet:
www.bibertbahn.de

SABINE DIETZ - 23.7.2004 0:00 MEZ

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